Tuesday, February 22, 2011

Singapur = zu Hause

Wo soll ich nur anfangen? Zuerst hab ich gedacht, ich schreib nichts, tue den gestrigen und heutigen Tag tot schweigen, einfach vergessen…aber um all das verarbeiten zu können, muss ich es mir von der Seele schreiben! In den letzten Stunden ist mir was widerfahren, dass ich niemanden von euch wünsche! Ja, ich bin am Leben. Bin gesund und um eine Erfahrung, Lebenserfahrung reicher...auf solche eine Erfahrung hätte ich aber gerne verzichtet. Niemals hätte ich gedacht, dass mir das passieren könnte…aber vielleicht gerade deswegen.

Also…

…ihr wisst ja, dass ich Arnold auf seine Dienstreise nach Manila begleiten sollte. Wir freuten uns drauf…vor allem auf das Wochenende am Strand. Aber was soll ich sagen, ich ziehe offensichtlich magisch Probleme an, Probleme, die eigentlich keine sein sollten. Oder, vielleicht war der Plan zu perfekt?

Gleich nach meiner Ankunft in Singapur holte ich mir Informationen darüber ein, wo ich – als Kroatin – in den Nachbarstaaten ein Visum brauche. Ich bildete mir ein Philippinnen gehören zu den Staaten, wo ich ein arrival visa am Flughafen bekomme. Ich checkte das gestern noch mal, Arnold war dabei. Am Flughafen fragte mich plötzlich die Dame am Schalter: „Mam’, where is your visa?“ Ich schaue sie an und meine: „Naja, ich brauch doch keine Visa laut (offizieller) Homepage.“ Sie meinte daraufhin, sie würde das nur kurz mal checken. Nach einigen Minuten gibt sie mir meinen Pass und meine Boardingkarte. Also nehme ich an: Alles ok! Wir besteigen das Flugzeug. Fliegen nach Manila. Stiegen aus. Gehen zur Passkontrolle. Die Beamtin dort: „Mam’, where is your visa?“ Ich erkläre ihr, ich brauch doch keine Visa. Sie holt ihren Chef. Ihr Chef schaut mich böse an. Bringt mich ins Hinterzimmer. Übergibt meinen Pass einer anderen Beamtin. Meinen Pass sollte ich erst ca. 9 Stunden später, als ich wieder im Flugzeug nach Singapur sitze, sehen.

Was passiert von 20:50 bis 05:50 Uhr? Arnold versucht zu reden, eine andere Lösung zu finden. Beamtin antwortet nicht. Das einzige was wir bekommen, ist ein mildes Lächeln und eine Strafe von Pesos (PHP) 50.000,-- (umgerechnet SGD 1.477,10). Ich schaffe es gerade noch ein paar Sachen aus unserem gemeinsamen Koffer zu nehmen und schon werde ich abgeholt. Von zwei Beamten. Zwar netten Beamten, aber Beamten, die eine Aufgabe zu erledigen hatten: mich, Kriminelle, der Security zu übergeben. Die wiederum die Aufgabe hatte, mich, Kriminelle, nicht aus den Augen zu lassen und ins Flugzeug nach Singapur zu setzen. Einer der netten Beamten erklärte mir dann beiläufig, ich müsste mir das Retourticket noch kaufen. Ich hatte gerade mal SGD 80,-- (PHP 2.700,--) mit. Also begleiten mich ein Justizbeamter und ein Security zum Bankomaten. Ich frage: wie viel soll ich abheben? Er bespricht sich mit irgendjemandem über Walkie Tokie. Zunächst sagt er: PHP 7.000,--. Zwei Minuten später, nachdem ich schon abgehoben habe, fügt er hinzu: Mam’, bitte noch PHP 1.000,-- abheben. Mir ist kalt, habe Hunger, muss auf’s Klo – alles nebensächlich. Wir gehen in irgendein komisches Büro. Dort sitzen alle…versuchen ein Ticket für mich zu reservieren. Ich zahle. Justizbeamter übergibt mich an die Security. Wir machen uns auf den Weg in den Wartesaal. Alle schauen mich bemitleidend an. Mein Handy geht nicht in Manila. Ich kann Arnold nicht anrufen. Ich bitte den Security mich zu einem Münztelefon zu bringen. Ich kaufe eine Karte um PHP 100,--. Telefoniere kurz mit Arnold. Beide sind wir verzweifelt.

Es ist erst 22:15 Uhr. Mein Flieger geht um 05:50 Uhr. Was nun? Schlafen kann ich nicht. Essen kann ich nicht. Telefonieren kann ich nicht. Hab kein Buch mit…nur der Reiseführer liegt in meiner Tasche. Die Securitys kommen und gehen. Bis der vierte dann bei mir bleibt bzw. der vierte schläft ein und ein fünfter, der einen anderen Kriminellen, der bereits zwei Tage in Manila am Flughafen festsitzt und behütet, nimmt sich meiner an. Offensichtlich bin ich ihm sympathisch. Er fragt mich, ob ich was gegessen habe. Ich verneine. Er verschwindet, bringt mir einen Kaffee (mehr Wasser als Kaffee) und einen Knödel mit Hühnerfleisch (typisch Philippinisch) mit. Er nimmt kein Geld an. Es schmeckt grauenhaft…ich beiße trotzdem rein, kaue, schlucke, mich würgt es. Netter Security! Ich unterhalte mich kurz mit dem Kamerunianer (sagt man das so?). Ich verstehe sein Englisch leider nicht so gut…er legt sich schlafen. Mein neuer Security stellt fest, ich schaue müde aus. Ach geh! Woher! Ich kann nicht schlafen. Ich sehe eine Maus…

Die Minuten und Stunden vergehen und vergehen nicht. Meine Stimmungsschwankungen schwanken. Ich weine, ärgere mich, lache (aus Verzweiflung), denke an Arnold, ärgere mich über mich selbst, hasse mich für meine Nachlässigkeit, bemitleide mich, denke mir: ach, ist sicher für was gut!, im gleichen Atemzug: für was?,…

Menschen kommen und gehen. Ich warte. Um 05.20 Uhr geht mein netter Security, der Manila nie verlassen hat und gerade um die SGD 400,-- verdient, mit mir zum Boarding. Mein Ticket habe ich bekommen, ohne aufgestanden zu sein. Ich hab den letzten Platz, ganz hinten, bekommen. Am Gate ist es eiskalt. Er wartet noch mit mir und versucht mich zu beruhigen. Ich soll wieder kommen. Ich muss mir Manila anschauen. Er gibt mir seine Nummer. Er winkt zum Abschied. Ich steige ins Flugzeug und will nur noch: nach HAUSE. Jawohl, Singapur ist nun mein zu Hause. So schnell kann’s gehen. Was soll ich sagen, die Umstände…

Um 09:20 Uhr landen wir in Singapur. Als ich aussteigen möchte, bittet mir der Flugbegleiter zu warten und alle aussteigen zu lassen. Oh du meine Güte! Hört das denn nie auf? Bei der Treppe wartet wieder ein Justizbeamter. Ich soll ihm folgen. ALBTRAUM! Ich möchte aufwachen!!! Ein weiterer Beamter, offensichtlich der Chef, hält mir eine Standpauke; nett aber bestimmt, dennoch verständnisvoll. Ich tue ihnen leid…ich muss echt fürchterlich aussehen! Sie entlassen mich…ich stürme raus…zur MRT setzte mich rein und hinter mir die Sinnflut. 27 Stationen bis zur Wohnung…ich döse – zum ersten Mal hier!

Als ich aus der MRT aussteige, sehe ich drei Polizisten…aber Gott sei Dank – der Albtraum ist vorbei.

Auch wenn sich einige von euch ein Lächeln oder eine blöde Bemerkung nicht verkneifen können, glaubt mir: das war der schlimmste Tag meines Lebens! Ich will das nie, nie wieder erleben müssen.

Was jetzt mit der Strafe und dem Ticket wird, weiß ich nicht. Ich halte euch am Laufenden.

Ich verschanze mich jetzt in der Wohnung und geh mal ein paar Tage nicht mehr raus!

Ich bitte um ein paar nette Zeilen. Schatz arbeitet!

1 comment:

  1. Oh mein Gott!
    Da fehlen einem die Worte!
    Ich weiß noch wie ich in Spanien saß und 0,0 € in der Tasche hatte weil mir eine Spanierin mein letztes Geld geklaut hatte. Das einzige was ich noch hatte war mein Handy+Ladegerät und eine ziemlich gute Beziehung zu meinem Akku. (Handyrechnung geb ich nicht an)
    Dein Erlebnis war viel schlimmer, doch ich möchte damit nur sagen, dass du aus jeder Situation herauskommst.
    Ich hoffe, es geht dir inzwischen wieder gut.
    glg
    Ich denk oft an euch!
    Klaus

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