Seit ca. drei, vier Wochen gibt es bei einigen Mitgliedern
der L.Ö.W.I.S. ein Thema, auf das sich fast alle Gespräche belaufen: der
Wachstum/die Veränderung (Singapurs).
Angefangen hat alles damit, dass vor ca. vier Wochen in
unserer Nähe wieder ein neues Einkaufszentrum eröffnet hat (Das 82! in
Singapur. Zur Erinnerung: Singapur hat eine Fläche von 712,4 km²). Ein
Einkaufszentrum mit IMAX-Kino und einem Indoor-Eislaufstadion.
http://www.flickr.com
Genau kann ich
nicht sagen, wann man begonnen hat das Gebäude zu bauen, obwohl ich fast jeden
Tag an der Baustelle vorbeigefahren bin. Nehmt es mir nicht übel, aber um uns
herum wird so viel gebaut, dass Baustellen und Kräne einfach schon zum Alltagsbild
gehören und meine/unsere Aufmerksamkeit gar nicht mehr auf sich ziehen. Wie
auch immer, auf einmal hieß es: JCube
eröffnet. Es befindet sich nur zwei U-Bahn-Stationen von uns entfernt und
ehrlich gesagt, hoff(t)en wir, dass sich der ganze Trubel, der sich in unserem
Einkaufszentrum abspielt, ein wenig verlagert. Dass sich die Wege ein wenig
lichten. Dass man schneller vorankommt… Hm…nun hat die Mall schon vier Wochen
geöffnet und bei uns wurlt es immer noch wie verrückt. JCube ist auch gestopft mit Leuten. Da stellt man sich doch die
Frage: „Wo kommen all diese Menschen her?“
Diese Frage führt(e) dann zur Nächsten: „Wo wohnen all diese
Menschen?“ Und die Unterhaltung nimmt ihren Lauf. Mike, unser Bauherr von Doka,
weiß die Antwort: bis 2015 will Singapur die Bevölkerungszahl auf 7 Millionen erhöhen
(derzeit sind es ein wenig über 5 Mio.) und da diese 7 Millionen auch Wohnungen
brauchen, wird gebaut, gebaut, gebaut. Er und Barbara betreuen viele von diesen
Baustellen und wissen daher wovon sie sprechen. Im Zentrum der Stadt, der Agglomeration
der Wohnungsbauten, sprießen (Luxus)Appartements wie nix aus den Böden. Ein
Stock, eine Wohnung. Preis? 22 Millionen SGD. Wer sich das nicht leisten kann,
hat die Möglichkeit sich außerhalb der Innenstadt niederzulassen. Man will ja
niemanden abstoßen. So weiten Bauherren ihr Territorium auf den Westen (bei
uns), den Osten (Nähe Flughafen) und den Nordosten (zwischen dem Natur Reservoir
und dem Flughafen) aus. Der Süden der Stadt gehört der „Inneren Stadt“. (Zusatzinfo:
Jährlich werden neue Stadtpläne/Gebäude- und Adressenverzeichnisse gedruckt.
Jährlich!)
So ein „Außerhalb-der-Innenstadt-niederzulassen Gebiet“
haben wir uns dann an einem Samstag angeschaut. Mit Barbara und Mike machten
wir uns auf dem Weg zum neueröffneten Punggol Waterway Park (http://www.nparks.gov.sg/cms/index.php?option=com_visitorsguide&task=parks&id=95&Itemid=73),
der sich im Nordosten Singapurs befindet.
Punggol war ganz, ganz früher ein Fischerdorf,
in dem Schweinderln und Henderln herumspazierten. Heute ist es eine sehr
schöne, künstlich angelegte Parkanlage, die zum Radlfahren, Inlineskaten uvm. einlädt.
Um den Park herum stehen nur vereinzelt Wohnbauten, aber die Kräne und
Rüstungen weisen schon darauf hin, was sich die nächsten Jahre da abspielen
wird.
Die Visionäre der Stadt haben offensichtlich wirklich eine
Vision. Welche genau kann ich nicht genau sagen… Aber ich/wir habe(n) das
Gefühl, das alles, aber wirklich auch alles sehr gut durchdacht ist. Als bei
Beispiel kann ich die Park Connectors (Anschlüsse) anführen. Stadtplaner haben
sich das Ziel gesetzt, irgendwann alle in Singapur bestehenden Parkanlagen –
und da gibt es jetzt schon unzählige – miteinander zu verbinden und so mehr Rekreationsmöglichkeiten (z. B. Radfahrmöglichkeiten) zu schaffen. Angefangen
hätte man ja schon damit… Generell wird darauf geschaut, dass die Stadt grün
bleibt oder grün gemacht wird. Im Juni werden zum Beispiel auch Gardens by the Bay eröffnet. Eine extrem
coole Anlage mit einem Flower Dome, Herritage Garden, Dragonfly Lake usw. (http://www.gardensbythebay.org.sg/).
http://www.skyscrapercity.com
Auch in unserem Condo sehen wir „die“ Veränderung. Waren es im
Jänner 2011 drei westliche Familien, sind es jetzt mindestens 20. Mittlerweile
habe ich schon italienische, ungarische sogar österreichische Nachbarn. Barbara
und Mike teilen unsere Beobachtungen, immerhin sind sie schon länger im Westen
zu Hause als wir. Sie kamen 2008 und waren bis auf einige wenige Ausnahmen die
einzigen Europäer. Auch der Jurong Point,
unser Einkaufszentrum, war damals nicht so groß, wie es jetzt ist. Es wurde vergrößert
und mehr westliche Produkte ins „Sortiment“ aufgenommen – vor allem im Supermarkt.
Fand man vor drei Jahren nur zwei Sorten Käse, gibt es jetzt eine Palette von
zehn verschiedenen Käsesorten. Sauerrahm findet man seit neuesten auch im
Kühlregal der lokalen Supermarktkette Fair Price. (Sauerrahm, Creme frâiche &
Co. gibt es zwar schon länger in westlichen Supermärkten wie Cold Storage,
Carrefour, usw. zu kaufen, aber bei den Preisen stellt’s einem die Haare auf.)
Bei all dieser Veränderung verändert man sich selbst auch. Vor allem verändere/erweitere ich meinen
Geschmackshorizont und esse mittlerweile Sushi und Fisch. Beweise:
Hab bis auf den Seeigel (in der Schale) alles gegessen!
@HY California Marina Bay Sands
Sushivariation@HY California Marina Bay Sands
Unser allererster zu Hause vorbereiteter und gegessener Fisch
@zu Hause
@zu Hause
Ja, Veränderung und Wachstum finden statt. Schneller und
brutaler als wir es gewohnt sind. Wenn wir unsere singapurischen Freunde und Bekannte
fragen, wie sie diese rasanten Veränderungen verdauen und wie sie diese
aufnehmen, sagen sie, dass es ihnen nichts ausmacht. Sie sagen: „Es ist ja
schon immer so. Wir sind es gewohnt, dass Geschäfte, Restaurants, Ämter über
Nacht ohne große Ankündigung zusperren und an einem anderen Ort wieder aufmachen oder ganz verschwinden.
Wir sind damit aufgewachsen.“ „Aber was
passiert, wenn sich z. B. euer Lieblinslokal oder euer Lieblingsgeschäft in
Luft auflöst“, fragen wir. Die Antwort fällt sehr pragmatisch aus: „Dann wird
halt ein Neues kommen.“ Sehr anpassungsfähig diese Singapurer, findet ihr
nicht? Nur zum Vergleich… Ich hab Rotz und Wasser geheult als das Mocca In (Graz) zusperrte und es ein anderer übernommen hat. Wie würdet ihr damit umgehen, wenn
ständig ein neues Gebäude, ein neuer Markt, ein neues Geschäft eröffnen würde? Was
würdet ihr sagen, wenn die Straßenbahnlinie über den Grießplatz innerhalb sechs
Monaten installiert werden würde?
Wir sind uns sicher, dass wir Singapur 2022 nicht mehr so
vorfinden werden, wie wir es verlassen werden. Vielleicht gibt es unser Condo
gar nicht mehr! Vielleicht gibt es den Jurong
Point auch nicht! Wir sind uns sicher, dass sich Graz – bis auf wenige Ausnahmen
– in diesen drei Jahren nicht viel verändert haben wird. Wir sind uns
sicher, dass wir uns keinen neuen Stadtplan kaufen müssen. Wir freuen uns, dass
es so sein wird.