Saturday, June 15, 2013

Vol. 3 - China - Moskau



Nehmt euch Zeit für diesen Blogeintrag. Wir haben viel zu erzählen... :-)

Terakotta-Armee 
von Arnold 
Diejenigen, die den Blog aktiv mit verfolgen und sich für die Geschichte Chinas interessieren, werden sich auf diesen Eintrag gefreut haben. Es geht ja – wie zuletzt angekündigt – um die Terrakotta-Armee, die Grabstätte von Kaiser Qin, der sich eine ganze Welt, samt Armee, bauen hat lassen um mit ihr bestattet zu werden. 


Der Glaube war, dass man in die nächsten Welt mitnehmen kann, was mit dem Leichnam begraben wird. Sofort nachdem Qin Kaiser Chinas wurde und das chinesische Reich zum ersten Mal in der Geschichte vereinigt hatte (wenn auch nur für kurze Zeit), ließ er mit dem Bau seiner Grabstätte beginnen. Mit der Vereinigung Chinas bekam das Land erstmals eine einheitliche Währung und Schrift. Auch der Bau der großen Mauer – die Verbindung der Mauern verschiedener nördlicher Provinzen - wurde initiiert. Als Vorbereitung auf das Leben nach dem Tode, ließ Qin auf einer Fläche von 56km², also ca. 2x so groß wie das Areal von ganz Schwarzenbach, Landschaften mit Flüssen aus Quecksilber und Paläste mit automatischen Fallen anlegen. Dieser Teil ist für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich, da man erst einen Weg finden muss, mit den giftigen Quecksilberdämpfen umzugehen und die Fallen zu finden und zu entschärfen. Man vermutet über 50,000 Objekte und 6,000 Soldaten aus Ton. Die Soldaten waren mit echten Waffen ausgestattet, die nach über 2,200 Jahren immer noch scharf waren. Ja, die Klingen wurden schon damals verchromt – eine Technologie die wir in Europa bis zum 19. Jahrhundert nicht kannten.

Um die Figuren (Krieger und Pferde) aus Lehm in Ton (Terrakotta) umzuwandeln, musste jede bei hohen Temperaturen gebrannt werden. Damit die Figuren bei diesem Prozess nicht explodieren, wurde der Kopf extra gebrannt und danach auf den Körper geklebt. Die Technologien sind einfach beeindruckend. Als ein Bauer für seine Felder begann einen Brunnen zu graben wurde die Grabstätte 1974 entdeckt. Obwohl das Gebiet von der lokalen Bevölkerung als Friedhof verwendet wurde, hat niemand so tief gegraben, dass die darunter liegenden Hallen entdeckt wurden. Leider sind die meisten Figuren zerbrochen als die Decken aus Holz und Fasermatten im Laufe der Zeit eingestürzt sind. Nur ein einziger, kniender Soldat wurde bisher komplett unbeschädigt ausgegraben. Außerdem brauchten die Revolutionskämpfer nach dem Zerfall des ersten gesamtchinesischen Reiches Waffen, die sie teilweise aus den Grabstätten entwendeten. Nun wird in mühevoller Kleinarbeit (ca. 6 Monate pro Soldat) versucht, die Grabstätte zu rekonstruieren. Eine Grube nach der anderen wird freigelegt um Oxidation zu verhindern. Alle Figuren waren lebensecht bemalt, doch die Farbe verschwindet sehr schnell, sobald Sauerstoff ins Spiel kommt. Aber Fotos dokumentieren, wie detailgetreu und realistisch die Soldaten und Pferde samt Streitwagen ausgesehen haben. Es gibt keine 2 gleichen Krieger und sie wurden je nach Rang entsprechend ausgestattet und positioniert. In Gefechtsformation. Die ersten 3 Reihen bilden die Infanterie. Kaum Rüstung, keine Schilder. Es galt als Ehre, sich für das Land zu opfern und damit eine staatliche Grundversorgung für die Familie zu sichern. Flankiert wird die erste Reihe von Sicherungstrupps, die zur Seite Blicken. Dahinter gibt es Bogenschützen und Streitwagen mit den Offizieren – zu erkennen an den eckigen Hüten und Stiefeln mit hochgebogenen Spitzen. All diese Informationen sind auf zahlreichen Schildern im und rund um das Museum zu finden. Falls jemand von euch mal nach Xi’an kommt um sich diese beeindruckende Stelle anzusehen, könnt ihr getrost auf den Führer verzichten. Der kostet 20 Euro und erzählt auch net mehr, als auf den Tafeln steht. Ach ja, natürlich haben wir auch einen Geocache gemacht…   








 Es folgen Einträge, die im Zug von Peking nach Moskau gemacht wurden:
 Von Evelin
So. Der 29. Tag unserer Reise ist fast um. In Moskau ist es zwar erst 10.33 Uhr, aber hier – irgendwo kurz vor Ulan-Ude, neigt sich der Tag langsam dem Ende zu. Links von mir sehe ich schneebedeckte Berge, rechts von mir zieht der beeindruckende Baikalsee vorbei. Ja, wir sind im Zug, bereits den dritten Tag. Viele von euch, aber auch wir selbst, haben uns gefragt, was wir denn so sieben Tage, sechs Nächte im Zug machen werden. Eine berechtigte Frage, auf jeden Fall. Aber seien wir uns ehrlich, viel Auswahl an Möglichkeiten gibt es nicht. Muss es aber auch nicht geben, oder? Im Alltag hat man doch genug am Hals, so genießen wir die Einsam- bzw. Zweisamkeit und die  Ruhe – abgesehen von dem Zugrattern – und geben uns den einfachen Dingen des Lebens hin: schlafen, lesen, Angry Birds spielen, gelegentlich essen, unsere Kabine und uns sauber halten. Und ich für meinen Teil versuche mich jeden Tag  hinzusetzen und meine Gedanken, meine Gefühle über und zur Reise in diesem Blog zusammenzufassen. 

 Links von mir...die schneebedeckten Berge

 Rechts von mir...der Baikalsee



Seit Xi’an ist wieder so viel geschehen… Aber über die Terrakotta-Armee brauch ich nichts zu schreiben. Arnold hat ausführlich berichtet...


Wie bereits erwähnt, hat bis zur Anreise in China alles wunderbar funktioniert. Schönes Wetter, kein Problem mit dem Essen, immer gute bis sehr gute Hotels bzw. Unterkünfte „erwischt“, immer die gewünschten Tickets für die Zugfahrtenn bekommen, freundliche Menschen um uns herum, die sich mit uns unterhalten wollten und vor allem konnten. Ab China wurde vieles anders…13 Tage voller Abenteuer und Aufregung. Doch das wussten wir bereits im Voraus. Anekdoten und Geschichten von Freunden, die bereits für längere Zeit in China verweilten und somit China-Erfahren sind, haben uns darauf vorbereitet. 

Trotzdem wurde ich nach fünf Tagen Dauernebel oder –smog ein wenig deprimiert. Wo zum Teufel ist der blaue Himmel? Wo die Sonne? Diese Frage hab ich mir spätestens ab Xi’an täglich gestellt. Am frustrierendsten war es in Peking, aber dazu etwas später. Und was das Essen angeht, wundert es mich bei den sprachlichen Barrieren nicht, dass wir in etwa vier Mal beim McDonalds essen (mussten). Gut, soweit die „Einleitung“.



 Panda Breeding Centre Chengdu


Chengdu – Xi’an. Wir fuhren am Abend weg und sollten am nächsten Tag gegen 16 Uhr in Xi’an sein (842 km, 15 h). Da wir uns etwas zu spät um die Tickets für die Fahrt kümmern konnten (bzw. wollten), haben wir keine Kabine zu viert (Soft Sleeper), sondern ein offenes Abteil mit Abtrennungen zw. sechs Betten (Hard Sleeper) bekommen. Ich hab zwar kurz gejammert, aber es hat nicht lange angehalten. 1. Konnte man am Umstand eh nix ändern und 2. waren wir selbst schuld! :-) Abgesehen davon hatten wir mit unseren Niesche-Teilern echt Glück. Ambitionierte Studenten, die ihr Englisch mit uns üben wollten. Erstaunlicherweise hab ich auch sehr gut geschlafen. In Xi’an angekommen, packet uns – trotz Jause – der großer Hunger. Beide waren auf Alarmstufe rot. Die Unterkunft selbst war ein Hostel, aber eines der gehobeneren Klasse. Nicht wegen dem Preis, sondern wegen der Anlage und dem Angebot des Hauses selbst. Einst ein typisches chinesisches Langhaus mit grauen Mauerziegeln wurde es in ein Jugendgästehaus umgewandelt, das abgesehen von preiswerten und schönen Zimmern, auch gute Küche hatte und es somit auf den Platz 7 der außergewöhnlichsten Jugendgästehäuser auf der ganzen Welt schaffte.




Nur das Wetter spielte nicht mit, wieder. Alles grau, grau, grau. Aber auch da, man regt sich zwar auf, ändern kann man es aber nicht. An Xi’an beeindruckend ist die Mauer um die Stadt selbst, die rundum saniert und renoviert wurde, und die13,6 km begehbar ist (man kann sich auch ein Fahrrad ausleihen). Weiters gibt’s da den Glocken- und Trommelturm, die während der Qin-Dynastie erbaut wurden und als Zeitangabe für die Bevölkerung dienten (Glockenturm gab die Zeit tagsüber an, der Trommelturm nachts). Beeindruckend fand ich persönlich das muslimische Viertel und deren Moschee, die im chinesischen Stil erbaut wurde und eigentlich gar nicht wie eine Moschee aussieht. Voller Leben, voller Standln mit leckerem, verführerischem Essen. Von da ein bisschen, von dort was, und da drüben sollten wir auch noch was probieren…und so spart man sich ein Abendessen. 
 


 Die Moschee-Anlage in Xi'an


Der nächste Tag wurde bei der Terrakotta- Armee verbracht und am Abend mit einem der schnelleren Züge – man gönnt sich ja sonst nix – Richtung Shanghai losgedüst (1503 km, 10 h, 46 min). An dieser Stelle muss ich, falls es Arnold noch nicht getan hat, ein lobendes Wort zu den chinesischen Bahnhöfen, Zügen und Belegschaft aussprechen. Ich mein, der Unterschied zw. Thailand, Vietnam und China ist markant. An dem Eisenbahnsystem, -netz und der Technologie kann man meiner Meinung nach den tatsächlichen Fortschritt/Wohlstand des Landes messen. Demnach ist China sehr wohlhabend – und das ist nix Neues – vielen, auch den Österreichern, einiges voraus. Der Bahnhof in Xi’an, einer von drei, ließ uns Staunen. Dieser Bahnhof, offensichtlich noch sehr neu, glich eher einem Flughafen als einem Bahnhof im herkömmlichen Sinne, mit modernen Sicherheitskontrollen, mit fortgeschrittenen Info- und Ansagetafeln etc. Obwohl die Abfahrtshalle voll mit Menschen war, gab es fast keinen Stau. Die Horde von Menschen wurde mit größter Effizienz in die Wägen verfrachtet und es wurde pünktlich weggefahren. Trotz der lobenden Worte gibt es auch ein wenig Kritik. Wir haben uns für die Fahrt von Xi’an nach Shanghai bewusst für Sitzplätze entschieden. Die Tickets waren ohnehin teurer, da es ein Schnellzug war und zehn Stunden sitzend würde doch gehen müssen. Als wir dann aber in unseren Wagon einstiegen, waren wir etwas verwundet. Unsere Tickets brachten uns in eine Kabine mit 4-er Liegen. Hä? Es waren schon zwei Personen drinnen und es kamen noch drei weitere hinzu (Mutter, Vater, Kind). Na das wird ein Spaß werden… 

Wir kamen recht früh in Shanghai an und waren recht froh darüber. Die Nacht war nicht gerade erholsam. (Welch eine Ironie, oder? In Vietnam waren die Züge nicht so neu, schön, geräumig und luxuriös, aber die drei Nächte, die wir in den vietnamesischen Zügen verbracht haben, waren sehr angenehm und echt erholsam). Wie auch immer… Unser Hotel, das Holiday Inn Vista, Arnolds Absteige wenn er beruflich dort ist, ließ uns bereits um 8.30 Uhr in der Früh!!! einchecken. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie glücklich wir darüber waren. Da wir zum ersten Mal auf unserer Reise länger als eine bzw. zwei Nächte in einem Hotel blieben, machten wir es uns gemütlich. Und das große, schöne Hotel, mit englischsprachigen Angestellten, mit gutem europäischem Frühstück waren wie Balsam auf meiner Seele. Versteht das nicht falsch. Die Reise bis Shanghai war genauso wie ich, wir es uns gewünscht haben, aber dieser viertägige Aufenthalt war einfach notwendig. Einfach ein wenig entspannen. Und genauso können wir auch unseren Shanghai-Aufenthalt beschreiben: entspannend (ein wenig Sightseeing, ein wenig das Zimmer genießen, ein wenig Cachen, ein wenig Essen und Trinken). Auch wenn das Wetter am ersten Tag nicht mitgespielt hat, was uns wenig ausmachte, da wir uns mit unserer Julia getroffen haben und unendlich viel zu tratschen hatten, zeigte sich Shanghai auf den darauffolgenden Tagen auch wettertechnisch von der besten Seite. Und ich meine wirklich von der besten Seite: Sonnenschein und blauer Himmel. Das Wetter, die Treffen mit Julia, die hippe, pulsierende Metropole, die keine Wünsche offen lässt inkl.  guter Weinlokale (Wie lang hab ich kein gutes Gläschen Wein getrunken? Seit Melihas und Jürgens Hochzeit?) und tollen Frühstücksmöglichkeiten (Wann hab ich das letzet Mal ein Mandel Croissant gegessen?) ließen mich und dadurch auch Arnold auf Wolke sieben schweben. Unglaublich wie diese Kleinigkeiten – allen voran aber das Wetter – auf einen wirken können, nicht wahr? Die vier Tage waren – für meine Begriffe – viel zu schnell vorbei und schon saßen wir im Bullet-train, der mit 300 km/h Richtung Peking schoss: 1 318 km in 4 h 55 min. Man hört sogar den Knall, wenn der entgegenkommende Zug eine Druckwelle vor sich herschiebt, die dann mit 600 km/h kollidiert. 


Zickzack-Brücke zum Yu Yuan Teehaus (böse Geister können nämlich nur gerade aus gehen)


 French Concession


 Der Flaschenöffner - World Financial Centre in Shanghai

 Shanghai - Pudong by Night

Einer der Bahnhöfe in Shanghai

 Zug nach Peking
Peking freute sich nicht besonders auf uns und begrüßte uns gleich mal bei der U-Bahn Station mit einem heftigen Regenschauer. Unser Jugendgästehaus, das wir aufgrund der guten Lage und der guten Bewertung natürlich, ausgewählt haben, ist eigentlich direkt neben der Station gelegen. Blöd, wenn man den richtigen Ausgang nicht findet. 
 
Was soll man zu Peking sagen? Das Wetter war so, wie immer, vielleicht sogar noch ein bisschen schlimmer. Ich sag ja nix wenn es nur bewölkt ist, aber wenn es dauer nebelig ist, dann hab ich echt ein Problem. Es trägt wirklich zur bedrückenden Stimmung bei und somit auch zu meinem Urteil über die Stadt. Keine Frage, alle Sehenswürdigkeiten in und um Peking sind beeindruckend und zu Recht UNESCO geschützt. Wir sind auch sehr beeindruckt gewesen, aber das Spazieren entlang den breiten Straßen und den vielzähligen, wunderschön angelegten Parkanlagen ist nicht gerade „sexy“, wie Arnold so schön sagt. 

 Tian'anmen Square - der Platz des himmlischen Friedens, 
der größte befestigte Platz der Welt

Wie gesagt, beeindruckt, sprachlos und fasziniert waren wir dennoch. Allen voran von DER Mauer, der Verbotenen Stadt, dem Olympischen Dorf, der Blase sowie den Tian’anmen Platz, den größten offenen Platz der Welt. Das Stehen auf der Mauer sowie das Erklimmen der Treppen werden mein leben lang in Erinnerung bleiben und für Gänsehaut-Momente sorgen.
Es ist vermutlich schlichtweg auf unser Unverständnis der vielen Symbole, Gesten und Handlungen dem chinesischen Volk gegenüber zurückzuführen, dass wir uns immer wieder zu zynischen Bemerkungen hinreißen ließen. Trotz der vielen Herausforderungen die wir im Zuge der letzten dreizehn Tage zu meistern hatten und der vielen Rätsel, die wir nur teilweise lösen konnten – oder  vielleicht gerade deswegen – wird uns dieser Reiseabschnitt als der abenteuerlichste in Erinnerung bleiben. 

 Die verbotene Stadt im Nebel

 Das Olymische Dorf - Water Cube - Nationales Schwimmzentrum

Das Olympisches Dorf - Birds Nest


Den allerletzten Abend bevor wir uns ins den Zug Richtung Moskau setzten, verbrachten wir im Marriott-Hotel. Wieso ich das schreibe, sprich hervorhebe? Ganz einfach. Mit diesem Abend bzw. dieser Übernachtung verabschiedeten wir uns gebührend von unserer Zeit in Asien. Bei einem stillvollen Abendessen im italienischen Restaurant des Hotels blickten wir – ich gebe zu, in meinem Fall, mit Wehmut – auf Singapur zurück, auf die Wohnung, die Freunde, die Bekanntschaften, die Arbeit und fassten unsere Reise bis dahin zusammen. Es war ein schöner Abend, mit schönen Gedanken. 

 Unser Abfahrtsbahnhof in Peking (nach Moskau)

Am nächsten Abend saßen wir bereits in unserem Abteil, wo die nächste Überraschung auf uns wartete. Doch bevor ich euch diese verrate, müsst ihr wieder einen Einleitung über euch ergehen lassen. Und zwar…Die Zugreise von Peking nach Moskau, wie viele von euch wissen, stellte für uns einen Höhepunkt dar. Der  Wunsch mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren, war auch Ausgangspunkt unserer Reiseplanung.  Für das Reisen mit dem Zug gibt es da eine sehr gute, vertrauenswürdige, immer auf den neuesten Stand gebrachte Internetseite namens seat61. Von dort haben wir uns auch die meisten Informationen über die Züge selbst (Zustand, Innenausstattung, Personal, Sauberkeit, Kommentare zum Speisewagen usw.), die Zugverbindungen, Preise, Fahrpläne geholt. Als es darum ging, die Tickets für die Transsib zu buchen, mussten wir uns für eine Route entscheiden. Denn, das war mir bis zu dem Zeitpunkt auch nicht klar, da gibt es drei verschiedene „Möglichkeiten“: die Route Vladivostok – Moskau – die klassische Trassib Strecke, die Route Peking via Machuria nach Moskau (Trans-Machurian) und von Peking via Mongolei nach Moskau (Trans-Mongolia). Alle drei Routen treffen sich beim Baikalsee in Ulan-Ude, dem reinsten und tiefsten See der Welt, von wo sie  auf der gleichen Strecke nach Moskau fahren. Möchte man zum Beispiel am Baikalsee verweilen, kann man das gerne tun. Aussteigen, zwei, drei Tage dort bleiben, neues Ticket kaufen und auf die nächste, vorbeikommende Transib warten. Aus Zeitgründen haben wir uns für die Trans-Machurian ohne Aufenthalte, die länger als 30 Min. sind, entschieden. In Peking haben wir Im Ticketoffice unsere Tickets abgeholt und uns nochmal versichern lassen, dass wir a.) 1. Klasse Tickets, b.) Stromversorgung und c.) Duschen haben. Ja, und jetzt kommen wir zur Überraschung:

Wir steigen voller Vorfreude und Begeisterung in den Zug ein, es war 22 Uhr Uhr; Abfahrt geplant für 23 Uhr. Werden von einer mies grimmigen russischen Zugbegleiterin in unser Abteil geführt. Nett. Wir legen unsere Sachen ab und inspizieren. Das Abteil ist zwar etwas anders als das, das wir in Melbourne nach Sydney hatten, aber sehr nett. Sehr sauber. Arnold sucht sofort nach einer Steckdose – wohl typisch Mann. Ich nach Bettzeug, Handtüchern, da nix in der Kabine liegt – wohl typisch Frau. Wir suchen alles ab. Weder Steckdose noch Bettzeug sind auffindbar. In mir steigt Panik auf. Ich geh raus und suche nach der Dusche. Nach unserer Dusche, die wir uns mit der Kabine neben an teilen sollten – so die Beschreibung zu den 1. Klasse Zügen nach Moskau. Arnold wird auch etwas blass. Ok, ruhig Blut. Es wird sich alles im Positiven auflösen. Wir haben nur nicht richtig geschaut. Die Zugbegleiterinnen sind nirgends zu sehen. Ach doch, da kommt eine. Ich laufe ihr entgegen und schaue sie mit erwartungsvollen Augen an und Frage:  Shower? Dusche? Sie lacht mich nur an, wohl eher aus, und rennt bei mir mit den Worten Tus? Ne. Ne. Nema. Was so viel wie Dusche? Nein, nein. Keine. heißt. Meine Welt bricht für einen kurzen Moment zusammen. Was? Das ist doch nicht ihr ernst?, kann sich der Arnold anhören. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich mich sieben Tage nicht duschen werde. Die haben ja einen Vogel. Arnold hat Steckdosen gefunden. Draußen im Gang. Mein Arnold, der immer alles auf das penibelste plant und organisiert, ist erschüttert. Vielleicht sogar mehr als ich. Er klappt den Lap Top auf und liest in der zu Hause gespeicherten Seite von seat61 über die die Züge der Trans-Machurian nochmal nach: …der Zug K19 von Peking nach Moskau hat manchmal keine Duschen in den Abteilen, die meisten haben aber welche…blablabla. Das gibt’s nicht! Wir haben ja echt ein Glück! Verzweiflung. Schock. Wut. Nachdem wir uns notdürftig frisch fürs Bett gemacht haben, versuchen wir zu schlafen. Bettzeug und Handtücher haben wir von Svetlana, der anderen sehr netten und freundlichen russischen Zugbegleiterin (Achtung Zynismus), bekommen. Nach einer gequälten Nacht sehen wir der Realität ins Auge. Resignation. Akzeptanz. Wir machen das Beste draus. Arnold, der sich doch von niemandem verarschen lässt – seine Worte, bastelt uns eine Dusche aus einer Wasserflasche. Er ist wirklich (m)ein wahrer Held. Ich kann mir damit sogar die Haare waschen! Und von da an genießen wir unsere Reise. Wahrhaftig und in vollen Zügen (die gar nicht so voll sind – unser Wagon wird bewohnt von zwei chinesischen Schülern, die Russisch lernen und nach Peking und danach St. Petersburg fahren, einem Deutschen älteren Herrn, der uns drei Tage lang versucht davon zu überzeugen unser Ticket nach Moskau verfallen zu lassen und in Ulan-Ude auszusteigen, um am Baikalsee spazieren zu gehen, denn DAS MUSS MAN DOCH MACHEN, einem Russen, von dem wir nichts wissen, außer dass wir hin und wieder eine Zugbegleiterin aus anderen Wagons ein- und ausgehen sehen; nach Ulan-Ude steigt der deutsche Herr aus und es steigt ein älteres australisches Pärchen ein, die Kirschwein produzieren. - Der Blick aus dem Fenster macht alles wett und wir machen es uns gemütlich, sehr gemütlich sogar. Es ist unser kleines Reich, das wir trotz der nicht vorhandenen Dusche, genießen. Die längeren Haltezeiten in den größeren Städten wie Irkutsk, Novosibirsk, Ektarinenburg, Perm, Nisny Novgorod usw. werden genutzt, frische Luft zu schnappen und für unser Frühstück, Mittagessen und manchmal sogar Abendessen einzukaufen. Der Speisewagen ist gut, sehr teuer und von unfreundlichen, mies grimmigen Kellnern geführt. Da stellt man sich die Frage: Sind alle Russen so unfreundlich? Oder sind wir es, die ihnen einfach kein Lächeln entringen können? Man weiß es nicht? Wir fühlen uns trotzdem wohl. Sind zufrieden und glücklich. Ist es vielleicht weil die Sonne scheint? Und zwar fast 19 Stunden lang am Tag. Oder ist es die malerische Landschaft, das Grün, das bei uns vorbeizieht? Oder weil ich Weißbrot essen kann? Oder weil wir unzählige Stunden ungestört lesen können? Oder ist es einfach nur Beeindruckend 24 h am Tag  in Bewegung  zu sein und ca. 10.000 km auf Schienen hinter sich zu lassen? Oder ist es die Tatsache, dass wir uns mit jede Sekunde, Minute, Stunde unserem eigentlichen Ziel nähern?  

 Unser kleines Reich für sieben Tage, sechs Nächte

Auch wenn man es sich schwer vorstellen kann, und glaubt mir, ich hab es mir überhaupt nicht vorstellen können, vergehen die Tage und Nächte sehr schnell. Vor allem weil man durch die sieben Zeitzonen, die wir auf dieser Strecke durchqueren, jegliches Zeitgefühl verliert. Die Sonne geht für uns immer sehr früh auf und sehr spät unter. Logisch, dass wir jeden Sonnenstrahl vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang voll ausnutzten. :-)

In wenigen Stunden fahren wir in Moskau ein und dann heißt es wieder: Explore. Dream. Discover. Zu Fuß.