Sunday, July 31, 2011

Java - Indonesien (Gastbeitrag 2 Punkt 0)

Von Ascheregen, Mega-Cities im Hochkonzentrat und den tausend Farben Grün

Das Datum auf meinem Rückflugticket spricht von morgen. Ich widerspreche trotzig. Mein bis zum Anschlag mit Impressionen gefüllter Körper wird sich jedenfalls wider jeden Trotz mit hunderten lächelnden, asiatischen Gesichtern in die Boeing 747 stapeln, seine ihm angehörigen Gliedmaßen verrenken und mit blauen Kniescheiben und künstlich verdünntem Blut eine sanfte Landung ersehnen.


Meine Gedanken flattern jedoch noch auf Höhe der geschlossenen Stupa um das weltweit größte buddhistische Heiligtum – den Borobodur Tempel. Die monumentale Sakralarchitektur, die auf den Mahayana - Buddhismus zurückzuführen ist, erhebt sich in Zentraljava in drei Stufen aus dem Boden. Das Auge verfängt sich zunächst auf der ersten Terrasse in der Sphäre der Wünsche, der Weltlichkeit mit all den irdischen Lüsten und Begierden, steigt sodann auf in die zweite Sphäre der Formen, wo zwar noch physische Existenz, dennoch schon ein Streben nach Sinnsuche erwacht ist und mündet schließlich in der dritten Sphäre der Formlosigkeit. Den Gipfel bildet die völlige Vergeistigung. Schnaufende, kamerabepackte Touristenströme ergießen sich wie gierige Lavaströme über die attraktive Tempelanlage. Zur Erleuchtung gibt es keinen Lift.

 

Ob es nun an der Hitze oder an den kunstvoll gemeißelten Flachreliefs liegt, die einem entlang dem spiralgleichen Aufstieg gen Stupa den Atem rauben, ist nicht restlos zu klären. Die fünfhundertvier vollplastischen Buddhas, die in jeder verwinkelten Nische postiert sind, haben in jedem Fall das ein oder andere Auge auf uns geworfen. Als Geschenk belohnt der Gipfel mit einem tiefen Einblick in das mannigfaltige Feldermosaik, das sich wie ein grünstichiger Teppich über die Insel ausrollt. Reis-, Chilli – und Erdnussfelder, Tabak – und Snake fruit Plantagen wetteifern um Ackergrenzen und lassen ihr bestes gedeihen, um die vielen hungrigen Mäuler der Millionenstädte zu stopfen. Ohne Fleiß kein Reis. Reis wird im übrigen bereits aus China importiert.

Zurück auf dem Boden unserer Weltlichkeit kehren meine Reisegefährtin Evi und ich von unserem „Land und Leute“- Ausflug nach Yogyakarta zurück. Wir haben in der blühenden Sultanstadt aus dem 18 Jahrhundert eingecheckt. Eine Bettstatt für müde Seelen. Zumindest bis 4.30 Uhr frühmorgens tauchen wir ab in Träume über säbelschwingende Palastwächter, Vogelmärkte und königliche Lustschlösser, bevor uns der Muezzin lautsprecherstark und erfolglos zum Pflichtgebet ruft.

Umso ergebener folgen wir unserem streng religiösen Guide Kardi über Stock, Stein und Sanddüne, der -wie auch 88 % der indonesischen Bevölkerung- Muslime ist und fünfmal täglich zu Allah betet. Währenddessen er die Moschee besucht, pflanzt er uns in Panoramateehäuser mit Ausblick auf die Smogglocke der Arbeiter- und Industriehochburg Semarang oder empfiehlt beschauliche Fahrten mit der Pferdekutsche am Strand. Wir folgen ihm fiebrig, nicht ohne die ein oder andere gesellschaftspolitische Diskussion, die er jedoch gekonnt in der Regel mit religiösen Totschlagargumenten abwürgt. Die Fragen brennen weiter unter den Fingernägeln. Beim Essen sitzen wir getrennt.

Umringt von staunenden Augenpaaren und offenen Mündern der hiesigen Bevölkerung verlaufen wir uns in der labyrinthartigen, umwallten Hofstadt, dem königlichen Kraton, dem Wasserpalast und den wuselnden, geruchsüberladenen „wet markets“. Minütlich werden Anfragen für ein gemeinsames Photo an uns herangetragen. Wildfremde Hände zerren an den unseren. Einer Zusage unsererseits folgt kreischende Begeisterung. Besser als wäre man Britney Spears. Wir lächeln artig, fühlen uns beschämt, aber auch ein klein wenig berühmt. Interviews lehnen wir jedoch entschieden ab.

In diesen Momenten erkennen wir die Nachteile unseres Fußgängertums, wo doch beinahe jeder javanesische Zweibeiner ein Auto, ein Moped, ein Fahrrad oder eine Rikscha sein eigen nennen darf. Gehsteige sind Mangelware. Abseits der Belagerungen öffnen sich unsere Sinne umso weiter für das fruchtbare, rohstoffreiche und vielschichtige Land zu Fuße des gefährlichen Vulkans, dem Gunang Merapi, dessen Rauchschwaden permanent mit dem Tode drohen und die Javanesen immerfort an ihre eigene Vergänglichkeit erinnern.

Meine morgige Abreise drängt nun auch wieder in meine Erinnerung und daher nutze ich zuletzt noch die Gelegenheit, ein GROSSES Danke schön an meine lieben Gastgeber Arnold & Evelin auszusprechen, die so sehr bemüht um mein Wohlergehen waren. Ich habe die Zeit und die gemeinsamen Reisen mit Euch sehr genossen und bin nun um soviele schöne und nachhaltige Erfahrungen reicher!

In diesem Sinne: Terima kasih selamat tinggal – danke und auf Wiedersehen!

Sandra

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