Monday, May 7, 2012

Ein heißes Thema…


Seit ca. drei, vier Wochen gibt es bei einigen Mitgliedern der L.Ö.W.I.S. ein Thema, auf das sich fast alle Gespräche belaufen: der Wachstum/die Veränderung (Singapurs).

Angefangen hat alles damit, dass vor ca. vier Wochen in unserer Nähe wieder ein neues Einkaufszentrum eröffnet hat (Das 82! in Singapur. Zur Erinnerung: Singapur hat eine Fläche von 712,4 km²). Ein Einkaufszentrum mit IMAX-Kino und einem Indoor-Eislaufstadion. 

 http://www.flickr.com

Genau kann ich nicht sagen, wann man begonnen hat das Gebäude zu bauen, obwohl ich fast jeden Tag an der Baustelle vorbeigefahren bin. Nehmt es mir nicht übel, aber um uns herum wird so viel gebaut, dass Baustellen und Kräne einfach schon zum Alltagsbild gehören und meine/unsere Aufmerksamkeit gar nicht mehr auf sich ziehen. Wie auch immer, auf einmal hieß es: JCube eröffnet. Es befindet sich nur zwei U-Bahn-Stationen von uns entfernt und ehrlich gesagt, hoff(t)en wir, dass sich der ganze Trubel, der sich in unserem Einkaufszentrum abspielt, ein wenig verlagert. Dass sich die Wege ein wenig lichten. Dass man schneller vorankommt… Hm…nun hat die Mall schon vier Wochen geöffnet und bei uns wurlt es immer noch wie verrückt. JCube ist auch gestopft mit Leuten. Da stellt man sich doch die Frage: „Wo kommen all diese Menschen her?“ 

Diese Frage führt(e) dann zur Nächsten: „Wo wohnen all diese Menschen?“ Und die Unterhaltung nimmt ihren Lauf. Mike, unser Bauherr von Doka, weiß die Antwort: bis 2015 will Singapur die Bevölkerungszahl auf 7 Millionen erhöhen (derzeit sind es ein wenig über 5 Mio.) und da diese 7 Millionen auch Wohnungen brauchen, wird gebaut, gebaut, gebaut. Er und Barbara betreuen viele von diesen Baustellen und wissen daher wovon sie sprechen. Im Zentrum der Stadt, der Agglomeration der Wohnungsbauten, sprießen (Luxus)Appartements wie nix aus den Böden. Ein Stock, eine Wohnung. Preis? 22 Millionen SGD. Wer sich das nicht leisten kann, hat die Möglichkeit sich außerhalb der Innenstadt niederzulassen. Man will ja niemanden abstoßen. So weiten Bauherren ihr Territorium auf den Westen (bei uns), den Osten (Nähe Flughafen) und den Nordosten (zwischen dem Natur Reservoir und dem Flughafen) aus. Der Süden der Stadt gehört der „Inneren Stadt“. (Zusatzinfo: Jährlich werden neue Stadtpläne/Gebäude- und Adressenverzeichnisse gedruckt. Jährlich!)

So ein „Außerhalb-der-Innenstadt-niederzulassen Gebiet“ haben wir uns dann an einem Samstag angeschaut. Mit Barbara und Mike machten wir uns auf dem Weg zum neueröffneten Punggol Waterway Park (http://www.nparks.gov.sg/cms/index.php?option=com_visitorsguide&task=parks&id=95&Itemid=73), der sich im Nordosten Singapurs befindet. 



Punggol war ganz, ganz früher ein Fischerdorf, in dem Schweinderln und Henderln herumspazierten. Heute ist es eine sehr schöne, künstlich angelegte Parkanlage, die zum Radlfahren, Inlineskaten uvm. einlädt. Um den Park herum stehen nur vereinzelt Wohnbauten, aber die Kräne und Rüstungen weisen schon darauf hin, was sich die nächsten Jahre da abspielen wird.

Die Visionäre der Stadt haben offensichtlich wirklich eine Vision. Welche genau kann ich nicht genau sagen… Aber ich/wir habe(n) das Gefühl, das alles, aber wirklich auch alles sehr gut durchdacht ist. Als bei Beispiel kann ich die Park Connectors (Anschlüsse) anführen. Stadtplaner haben sich das Ziel gesetzt, irgendwann alle in Singapur bestehenden Parkanlagen – und da gibt es jetzt schon unzählige – miteinander zu verbinden und so mehr Rekreationsmöglichkeiten (z. B. Radfahrmöglichkeiten) zu schaffen. Angefangen hätte man ja schon damit… Generell wird darauf geschaut, dass die Stadt grün bleibt oder grün gemacht wird. Im Juni werden zum Beispiel auch Gardens by the Bay eröffnet. Eine extrem coole Anlage mit einem Flower Dome, Herritage Garden, Dragonfly Lake usw. (http://www.gardensbythebay.org.sg/). 

 http://www.skyscrapercity.com

Auch in unserem Condo sehen wir „die“ Veränderung. Waren es im Jänner 2011 drei westliche Familien, sind es jetzt mindestens 20. Mittlerweile habe ich schon italienische, ungarische sogar österreichische Nachbarn. Barbara und Mike teilen unsere Beobachtungen, immerhin sind sie schon länger im Westen zu Hause als wir. Sie kamen 2008 und waren bis auf einige wenige Ausnahmen die einzigen Europäer. Auch der Jurong Point, unser Einkaufszentrum, war damals nicht so groß, wie es jetzt ist. Es wurde vergrößert und mehr westliche Produkte ins „Sortiment“ aufgenommen – vor allem im Supermarkt. Fand man vor drei Jahren nur zwei Sorten Käse, gibt es jetzt eine Palette von zehn verschiedenen Käsesorten. Sauerrahm findet man seit neuesten auch im Kühlregal der lokalen Supermarktkette Fair Price. (Sauerrahm, Creme frâiche & Co. gibt es zwar schon länger in westlichen Supermärkten wie Cold Storage, Carrefour, usw. zu kaufen, aber bei den Preisen stellt’s einem die Haare auf.)

Bei all dieser Veränderung verändert man sich selbst auch. Vor allem verändere/erweitere ich meinen Geschmackshorizont und esse mittlerweile Sushi und Fisch. Beweise: 

 Hab bis auf den Seeigel (in der Schale) alles gegessen!
@HY California Marina Bay Sands

 Sushivariation@HY California Marina Bay Sands


 Unser allererster zu Hause vorbereiteter und gegessener Fisch
@zu Hause

Ja, Veränderung und Wachstum finden statt. Schneller und brutaler als wir es gewohnt sind. Wenn wir unsere singapurischen Freunde und Bekannte fragen, wie sie diese rasanten Veränderungen verdauen und wie sie diese aufnehmen, sagen sie, dass es ihnen nichts ausmacht. Sie sagen: „Es ist ja schon immer so. Wir sind es gewohnt, dass Geschäfte, Restaurants, Ämter über Nacht ohne große Ankündigung zusperren und an einem anderen Ort wieder aufmachen oder ganz verschwinden. Wir sind damit aufgewachsen.“  „Aber was passiert, wenn sich z. B. euer Lieblinslokal oder euer Lieblingsgeschäft in Luft auflöst“, fragen wir. Die Antwort fällt sehr pragmatisch aus: „Dann wird halt ein Neues kommen.“ Sehr anpassungsfähig diese Singapurer, findet ihr nicht? Nur zum Vergleich… Ich hab Rotz und Wasser geheult als das Mocca In (Graz) zusperrte und es ein anderer übernommen hat. Wie würdet ihr damit umgehen, wenn ständig ein neues Gebäude, ein neuer Markt, ein neues Geschäft eröffnen würde? Was würdet ihr sagen, wenn die Straßenbahnlinie über den Grießplatz innerhalb sechs Monaten installiert werden würde?

Wir sind uns sicher, dass wir Singapur 2022 nicht mehr so vorfinden werden, wie wir es verlassen werden. Vielleicht gibt es unser Condo gar nicht mehr! Vielleicht gibt es den Jurong Point auch nicht! Wir sind uns sicher, dass sich Graz – bis auf wenige Ausnahmen – in diesen drei Jahren nicht viel verändert haben wird. Wir sind uns sicher, dass wir uns keinen neuen Stadtplan kaufen müssen. Wir freuen uns, dass es so sein wird. 

1 comment:

  1. sehr tiefgründiges thema! da muss ich ausführlicher drüber nachdenken. so auf die schnelle kann ich sagen: auch ich bin froh, dass es eine konstante in meinem leben gibt. sie heißt heimat um genau zu sein gaming(nö)!
    ich bin mir sicher, dass hier die dinge nicht ganz so schnell ihren lauf nehmen und das ist gut so! lg aus kuala lumpur!

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